Isabel Seliger
30 / 36 Hörspiel IDA(1) Der NDR hat nach dem Roman von Katharina Adler das Hörspiel IDA produziert. Es erzählt von einer jungen Patientin Sigmund Freuds. Bekannt wurde sie als Fall Dora. Isabel Seliger zeichnete für den Sender 100 Bilder – ihre erste Arbeit zu einem Hörspiel. Ich wollte von Isabel wissen, welche Herausforderungen sie beim Zeichnen hatte.
Lesen Sie das Interview dazu im Anschluss an diese Bildauswahl.
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Isabel Seliger im Gespräch zu Ihrem Debüt als Hörspielillustratorin
Isabel, in dem Stück erleben wir die Therapie bei dem berühmten Psychologen aus Sicht der 18jährigen Ida Bauer. Wie hast du dich der Person Ida Bauer genähert?
Für meine Arbeit hatte ich einige wenige Fotos und das fertige Script zur Verfügung. Das Script liest sich wie ein Theaterstück und so erschien mir die Geschichte wie die Inszenierung eines Dialogs auf einer Bühne. Ein Dialog zwischen zweien und ein innerer. Ich fand das Script großartig. Es fiel mir leicht mich in Ida hineinzuversetzen, mich auf ihre Seite zu stellen, mich für sie zu interessieren, und auch für Freud und die Zeit um die Jahrhundertwende. So habe ich mich der Person Ida Bauer genähert. Ich habe sie durch das Lesen des Scriptes kennengelernt und ihr Bild nach Recherchen für mich passend gebaut. Ein natürlicher Prozess. Im Nachhinein würde ich sagen: Sie war einfach da.
Die junge Frau erzählt, dass sie als Mädchen von einem erwachsenen Freund der Familie sexuell bedrängt wurde. Seit einer Weile leidet sie unter nervösem Husten. Freud deutet ihre Reaktion als Verliebtheit in diesen Mann. Was hast du empfunden, als du das gehört hast?
Es hat mich empört. Mit jedem Lesen hat mich Freuds Selbstverliebtheit und Arroganz wütender gemacht und dafür gesorgt, dass ich es ihm heimzahlen wollte.
Wahrscheinlich ist deshalb sein Gesicht fast nie zu sehen. Ich wollte ihn als arroganten Widersacher darstellen; und wie sehr passt es dabei (!), dass er meist von einer Rauchwolke umgeben ist, dass in seinem Büro ein Feuer knistert und dass sich seine Uhrenkette dazu anbot, Ida zeichnerisch damit zu bedrängen.
Nach elf Wochen bricht Ida Bauer die Behandlung bei Freud eigenmächtig ab. In der patriarchalischen Welt von 1900 war dies noch völlig undenkbar. Inwieweit könnte Sie auch heute noch ein Vorbild sein?
Ida ist kritisch und empört sich. Sie hat bereits schlechte Erfahrungen mit anderen Ärzten und deren Behandlungsmethoden gemacht.
Freud's Methode war damals etwas ganz neues und ihr Sinn für Ida nicht wirklich nachvollziehbar. Nach einer Weile jedoch glaubte Sie in Freud einen Freund und Fürsprecher gefunden zu haben. Sie denkt sogar, dass er vielleicht recht haben könnte, was sich aber schnell wieder auflöst weil Ida nicht aufhört zu reflektieren. Sie hört Freud zu; aber genauso hört sie auf sich, auf ihren Körper und ihre Gefühle. Sie lässt sich nicht bedrängen und trifft ihre eigenen Entscheidungen.
Wie hat sich die Arbeit zu diesem Hörspiel von deinen bisherigen Werken unterschieden?
Die Arbeit zu dem IDA Hörspiel war mein bislang aufwändigstes Projekt.
Normalerweise weiß ich recht genau wie umfangreich das Ergebnis werden soll und ich kann meinen Arbeitsaufwand ungefähr einschätzen.
Außerdem arbeite ich meist an einzelnen Illustrationen. Ich hatte jedoch schon vorher an Sequenzen und Comics gearbeitet und für das Pop-Up Magazine auch an einer Reihe, die animierbar sein sollte. Das hat mir enorm geholfen.
Bei IDA war zuerst von etwa 10 Illustrationen die Rede, aber das reichte vor allem für mich nicht.
Ich musste das Script durcharbeiten und dabei war der für mich natürlichste erste Schritt, alles durchzuskizzieren.
Ganz neu war, dass ich Illustrationen für einen konkreten zeitlichen Rahmen erschaffen musste, den ich mir zuerst nur vorstellen konnte, und die Bilder sollten final animierbar sein. Ich habe einen Monat an den Skizzen gearbeitet. Das Hörspiel wurde bis dann fertig produziert und ich konnte es das erste mal hören. Nun wusste ich, dass einige Szenen schneller ablaufen oder langsamer als ich gedacht hatte und einiges passte nicht mehr. Ich saß einen weiteren Monat an den Reinzeichnungen und danach wurde vom NDR alles geschnitten, animiert und fertig produziert.
Durch deine Bilder wirkt das Stück filmisch. Hattest du Vorbilder?
Ich habe eher an Theater als an Film denken müssen, und dabei kam mir Dogville von Lars von Trier in den Sinn, als ich mir überlegen musste wie aufwändig die Bilder werden sollten. Ich wollte mich auf das wesentliche konzentrieren.
Als „Vorbilder“ kann ich vielleicht Andrei Tarkovsky erwähnen, dessen Bilder und Filme ich liebe, und Vilhelm Hammershøi, der mir bei der Recherche zu IDA auch begegnete.
Das Gesicht der Ida Bauer wird in verschiedenen Versionen immer wieder eingeblendet. Mich erinnerte das an Bilder aus dem Film Vertigo. Wie bist du darauf gekommen?
Ich glaube, dass ich Vertigo nie gesehen habe.
Wenn IDAs Gesicht eingeblendet ist, dann in Momenten, in denen sie mit ihren Gedanken allein ist. Ich wollte sie in einem schwarzen Raum zeigen, der die Möglichkeit bietet Wahrnehmungen und Sonstiges einzublenden. Ihr Gesicht verändert sich im Laufe der Geschichte weil sie zunehmend mitgenommener und wütender wird.
Du musstest in kurzer Zeit viele Bilder zeichnen. Wie hast du dich organisiert?
Ich habe mir bis zur jeweiligen Deadline einen Plan gemacht, die mir zur Verfügung stehenden Wochen aufgezeichnet und ausgerechnet wie viel ich schaffen muss. In der Konzeptions- und ersten Skizzenphase, wie viele Szenen ich pro Woche bzw. pro Tag durcharbeiten muss und in der Phase der Ausarbeitung, die Menge der Bilder pro Tag. Jeden Tag habe ich aufgeschrieben, was ich geschafft habe und evtl. Arbeiten auf den nächsten Tag verschoben. Meist jedoch konnte ich vorarbeiten, was gut war, da doch immer mal etwas dazwischen kommt. Ich habe meine tatsächliche Arbeitszeit außerdem genau dokumentiert.
Gibt es Pläne, die Geschichte mit deinen Bildern auch in gedruckter Form zu veröffentlichen?
Von meiner Seite gibt es dazu bisher keine Pläne.
Vielen Dank für das Gespräch, Isabel.
Das Interview führte Anja Laame am 4. Dezember 2019.